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aus der Märkischen Oderzeitung vom 02.09.2000:
Der "Elektrische" war sein (Berufs-)Leben
Obus-Fahrer Fritz Israel geht nach vier Jahrzehnten in den Ruhestand
Von Kai-Uwe Krakau
Eberswalde/(M0Z) Nach 41 Jahren "an Bord" hat Fritz Israel gestern seinen geliebten Obus zum letzten Mal ins
Depot gefahren. Seit 1954 war er bei den Eberswalder Verkehrsbetrieben beschäftigt - nun verabschiedet sich Israel in
den wohlverdienten Ruhestand.
Der 63-Jährige gehörte Jahrzehnte zum Eberswalder Straßenbild. Tausende Kilometer lenkte er den "
Elektrischen" zwischen Nordend, Stadtmitte und dem Brandenburgischen Viertel. Und das völlig unfallfrei, wie er
stolz verkündet.
"Ich habe zunächst Schlosser im Kranbau gelernt", berichtet Fritz Israel. Anschließend wechselte er
zu den Verkehrsbetrieben und sorgte dort dafür, dass die Busse immer gut geölt waren. Nach zwei Jahren wurde
Israel dann Schichtbrigadier, die Verantwortung nahm zu.
"Mein Wunsch war es aber immer zu fahren", so Israel. Er machte schließlich die Fahrerlaubnis und 1959
auch den Personenbeförderungsschein. Nachdem er schon immer mal auf dem "Bock" ausgeholfen hatte, sattelte
er 1960 völlig um: Israel wurde Obus-Fahrer. Das war seinen damaligen Vorgesetzten übrigens überhaupt nicht
recht, verloren sie doch einen versierten Schlosser, der kaum zu ersetzen war.
In den folgenden Jahren konnte Israel viele Generationen von Bussen hautnah erleben. Seien es die Lowa-Wagen aus DDR-
Produktion, die Skoda- und Ikarus-Fahrzeuge und schließlich die modernen MAN-Obusse. "Ich weiß gar nicht,
wo die Zeit geblieben", wundert sich der zukünftige Rentner. Im Jahre 1976 wurde Israel Schichtbrigadier,
vertrat in dieser Funktion auch oft den Meister. Zusätzliche Dienste auch an Wochenenden war für Israel nie ein
Problem. Am 01.Juli 1993 durfte er den ersten Wagen der MAN-Flotte vorführen. An diesem Tag wurde auch die Obus-Linie
zwischen Finow und dem Brandenburgischen Viertel eingeweiht.
"In den letzten Jahren hat sich der Verkehr sehr verändert", blickt Israel zurück. Viele Autofahrer
seien rücksichtslos. "Die schneiden die Vorfahrt und denken nicht mal daran, dass ich Leute hinten im Bus
habe", sagt er. Ernste Situationen hat es in den 41 Jahren trotzdem nie gegeben. "Selbst von Betrunkenen ist mir
keine Dresche angeboten worden", so Israel. Er sei mit den Fahrgästen immer gut ausgekommen. "Wie es in den
Wald hineinruft, so schallt es auch heraus", lautet seine Devise.
Einmal wurde es Israel aber doch mulmig. Als er am Kranbaupark unterwegs war, fuhr vor ihm ein etwa vierjähriges
Mädchen mit dem Fahrrad. An einem Gullydeckel stürzte das Kind und fiel auf die Fahrbahn. "Ich konnte
gerade noch nach links vorbeiziehen und den Wagen zum Stillstand bringen", erinnert sich der 63-Jährige.
Glück und Können liegen manchmal dicht beieinander.
Für die Zukunft wünscht sich Israel, der auch Modelle, Fotos und Broschüren über Busse sammelt, dass
der Obus in Eberswalde noch lange fahren wird. "Das ist eine gute Sache, ruhig und umweltfreundlich", sagt er.
Manchmal würden die Fahrgäste überhaupt nicht merken, wenn der Wagen an der Haltestelle vorbeifährt.
Viele Waldstädter werden in den nächsten Tagen sicher Fritz Israel vermissen. Den Mann, an den man gewöhnt
hatte - morgens um halb sieben, irgendwo an einer Haltestelle in Eberswalde.
Blumen als Dank: Die stellvertretende Geschäftsführerin der Barnimer Busgesellschaft mbH (BBG), Antje
Dombrowsky, verabschiedet Fritz Israel in den verdienten Ruhestand.