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aus dem Tagesspiegel vom 05.10.2007:

Eberswalde will Omnibusse vom Strom nehmen

Gutachten legt Einstellung der Oberleitungs-Linien nahe / Weltweit ist die Entwicklung gegenläufig: Von Rom bis Peking wird ausgebaut

Von Andreas Wilhelm

Eberswalde - Der Landkreis Barnim erwägt, eine der drei letzten deutschen Oberleitungs-Buslinien einzustellen. Es geht um die Strecke in Eberswalde, die möglicherweise durch Fahrzeuge mit Hybridtechnologie ersetzt werden soll.

Grundlage der Überlegungen ist ein Gutachten, das der Landkreis erstellen ließ und ein O-Bus-Ende bis 2015 empfiehlt. Zu dieser Zeit geht ein Förderprogramm des Bundes für Brennstoffzellen-Technologie zu Ende. Außerdem sieht der Kreis immense Reparaturkosten für die alten Wagen auf sich zukommen. „Der O-Bus besteht eben nicht nur aus Stromleitung und Bus”, erklärt Vize-Landrat Carsten Bockhardt. Hinzu komme jede Menge zusätzlicher Technologie wie Trafohäuser oder Weichen-Systeme. Bockhardts wichtigstes Argument gegen die O-Busse ist jedoch deren extreme Abhängigkeit von den Oberleitungen. Bei Straßenbauarbeiten etwa sei ein erheblicher Aufwand nötig, um eine Buslinie umzuleiten. Sei einer der langen „Gelenkzüge“ mal defekt, stehe gleich die ganze Linie still, womöglich auch der Pkw-Verkehr.

Der Kreis müsse zudem auf demografische Entwicklungen mit Flexibilität im öffentlichen Nahverkehr reagieren können. Einfach mal einen O-Bus über Land fahren zu lassen, gehe nicht. Einen Beschluss des Kreistages oder ein Votum des Wirtschaftsausschusses gibt aber noch nicht – und wird es auch nicht vor 2010 geben, sagt Frank Wruck, Chef der Barnimer Bus Gesellschaft BBG.

Wruck sitzt etwas auf heißen Kohlen, denn die Busse, die er jetzt betreibt, sind zum Teil schon 14 Jahre alt, haben ihren Dienst mit rund 700 000 Kilometern Laufleistung eigentlich getan. Sein Problem ist, dass er ein neues Konzept braucht, die Hybrid-Technologie aber noch nicht ausgereift ist. Ob die O-Busse noch sieben Jahre halten, sei fraglich, meint der BBG-Chef, der ein zunehmendes Problem in der Beschaffung der Ersatzteile sieht. Ein neuer O-Bus kostet Wruck zufolge rund 460 000 Euro, ein Hybridbus hingegen 1,2 Millionen Euro.

Von einem Aussterben der O-Busse will Mattis Schindler nichts hören. Der Arbeitsgruppenleiter „O-Bus“ beim Denkmalpflegeverein Nahverkehr aus Berlin kennt weltweit Dutzende Städte, wo die Oberleitungslinien neu aufgebaut oder erweitert werden. Als „vergebene Chance“ sieht Schindler ein eventuelles Aus in Eberswalde und verweist auf den „weltweiten O–Bus-Boom“: Athen schreibe 100 O-Busse aus, in Vancouver, Peking und Kiew fänden Erweiterungen statt, in Italien gebe es vier neue Betriebe, Rom habe vor zwei Jahren eine Versuchsstrecke gebaut und erarbeite Pläne für weitere Linien. Selbst die anderen deutschen Standorte Solingen und Esslingen setzen laut Schindler auf Expansion statt Rückbau. Er hat erhebliche Zweifel an dem Gutachten und wundert sich, dass sich die Behörde bei der Ausschreibung ausgerechnet einen Gutachter bestellt habe, „der keine O-Bus-Erfahrung hat.“