Sie sind hier: Übersicht > 4. Geschichte des Eberswalder Obus-Verkehrs > 4.1. Zeitraum von 1842 - April 1945
4.1. Zeitraum von 1842 - April 1945
Ein Meilenstein in der Geschichte des öffentlichen Personennahverkehrs und damit
letztlich des späteren Obus-Verkehrs in der Stadt Eberswalde war im Jahre 1842 der
Anschluss von Neustadt Eberswalde an die Berlin-Stettiner Eisenbahn. Da Eberswalde kein
sonderliches Interesse am Anschluss an das Staatsbahnnetz zeigte, wurde die
Eisenbahnlinie außerhalb der Stadt vorbeigeführt. Damit wurde ein Bedarf an Beförderungsmöglichkeiten geschaffen.
Die Beförderung der Fahrgäste von und zum Bahnhof wurde mit Pferdedroschken und
auch Postkutschen, welche regelmäßig in die umliegenden Gemeinden fuhren,
durchgeführt.
Vom Bahnhof zur Stadt Neustadt Eberswalde führte die Eisenbahnchaussee, der
Vorgänger der heutigen Eisenbahnstraße. Die Eisenbahnchaussee war ein
unbefestigter Weg und bei widrigen Witterungsverhältnissen nur schwer passierbar. Da die
Stadt Eberswalde sich schwer tat, ließ im Jahre 1860 die Eisenbahndirektion die
Eisenbahnchaussee auf ihre Kosten pflastern.
Aufgrund der Verbesserung der Fahrbahnverhältnisse wurde am 01. Februar 1865 die erste Eberswalder Pferdeomnibus-Linie
eröffnet.
Nachdem um die Jahrhundertwende das Wesen der Elektrizität
weitestgehend aufgeklärt war und die Nutzung der Elektrizität zunehmend
wirtschaftliche Vorteile brachte, wurden erste Versuche zur Nutzung der Elektrizität im
Verkehrswesen gemacht.
Bereits am 29. April 1882 führte Werner von Siemens in Halensee bei Berlin einen
elektrisch angetriebenen Kutschenwagen, Elektromote
genannt,
vor.
Im Jahre 1900, also 18 Jahre später, fuhren im Ausstellungspark der
Pariser Weltausstellung auf einer 2,5 km langen Strecke fünf "gleislose
Bahnen"
der Bauart Lombard-Gérin, deren Aussehen den damals gebräuchlichen
Pferdeomnibussen ähnelte. Die Bauart Lombard-Gérin, benannt nach zwei
französischen Konstrukteuren, zeichnete sich durch einen synchron zum Obus auf der
Fahrleitung selbstfahrenden Kontaktwagen aus. Dieser Kontaktwagen wurde durch einen
Elektromotor angetrieben. Die Ausstellungsjury der Pariser Weltausstellung zeichnete das
Stromabnahmesystem Lombard-Gérin mit einer Goldmedaillie aus.
Die Auszeichnung des Stromabnahmesystems Lombard-Gérin mit einer Goldmedaillie der
Pariser Weltausstellung erregte auch in Eberswalde Aufmerksamkeit. Die Berliner
Ingenieurfirma Johann Friedrich Brandt unterbreitete im Januar 1901 der Stadt Eberswalde ein
Angebot zum Bau einer Obus-Anlage mit dem Lombard-Gérin-System.
Die Stadt Eberswalde erteilte die Genehmigung für einen dreimonatigen Probebetrieb der
Stecke vom Alsenplatz zum Vorplatz des Staatsbahnhofes mit der Aussicht auf eine
dreißigjährige Konzession und weiteren Ausbau der Linie bei Bewährung
derselben.
Die ersten Probefahrten erfolgten am 12.03.1901. Am 22.03.1901 erfolgte die Aufnahme des Betriebes der ersten Eberswalder Obus-Linie.
Nach 3 Monaten wurde der Versuchsbetrieb wegen technischer Mängel
eingestellt.
Im Jahre 1904 soll kurzzeitig ein zweiter Versuch des Obus-Betriebes zwischen Bahnhof und
Richterplatz gewagt worden sein. Dieser ist aber eher unwahrscheinlich. Es existieren dazu
keine weiteren Angaben (einzige Quelle "Straßenbahnarchiv", Band 6, Seite
50).
In Deutschland besaßen die Arbeiten Max Schiemanns für die Entwicklung des Obus
Pionierbedeutung. Max Schiemann (1866-1933) war der geistige Vater der "gleislosen
Bahnen", deren Weiterentwicklung bis zur Betriebsreife sein Lebenswerk waren. Er
entwickelte dieses Verkehrsmittel in einem eigenen Konstruktionsbüro weiter,
gründete eine Fertigungsstrecke und eröffnete u.a. am 10. Juli 1901 eine 4 km lange
Strecke in der Sächsischen Schweiz zwischen Königstein und Königbrunn für
den öffentlichen Personen-und Güterverkehr, die "Bielathal-Motorbahn".
Er entwickelte u. a. die bis heute gebräuchlichen Stromabnehmerstangen mit beweglichen
Schleifschuhen.
Trotz entscheidender Weiterentwicklungen des Obusses gaben die Eberswalder Stadtverordneten
am 10.August 1909 der Errichtung einer elektrischen Straßenbahn den Vorzug.
Ausschlaggebend waren u.a. auch die meistens guten Ergebnisse des Straßenbahnbetriebes
in anderen Städten.
Am 01.09.1910 wurde die eingleisige Strecke der Eberswalder
Straßenbahn eröffnet.
Der Betrieb wurde auf einer Strecke von 3,4 km Länge anfangs mit 3 Triebwagen
durchgeführt und führte vom Kleinbahnhof über den Hauptbahnhof
und Markt zur Saarstraße.
Eine Normung und größere Serienfertigung von Fahrzeugen und Anlagen für den
Obus-Betrieb blieb in Deutschland zunächst aus. Durch den 1.Weltkrieg und die sich
anschließende Wirtschaftskrise wurde die Weiterentwicklung des Obusses um Jahre
hinausgezögert.
In den zwanziger Jahren konnte die Stromerzeugung in Deutschland wesentlich gesteigert und
diese Energie zu günstigen Preisen angeboten werden. Während dieser Zeit trieben die
Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) die Obus-Entwicklung voran.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 begann im faschistischen Deutschland eine
beispiellose
Aufrüstung. So wurden unter anderem in Eberswalde an der Freienwalder Chaussee zwei
Kasernen, eine Kaserne für ein Artillerie-Regiment und eine Kaserne für ein Schützen-Regiment,
gebaut.
Erst ab 1936 wurde in Deutschland der Bau von Obus-Netzen verstärkt in Angriff genommen.
Grundlage dafür bildete eine Verfügung des Reichsminister für
Rüstungs - und Kriegsproduktion des faschistischen Deutschlands. Im Zuge der
Aufrüstungsanstrengungen sollten Treibstoffe im erheblichen Maße insbesondere in
Mittelstädten eingespart werden.
Die Eberswalder Ardelt-Werke stellten vorrangig Rüstungsgüter her. Für die
Rüstungsproduktion warben die Eberswalder Ardelt-Werke Facharbeiter in ganz Deutschland
an. Bis 1937 entstand in Ostend die Ardelt-Siedlung.
Aufgrund dieser Tatsachen stiegen die Fahrgastzahlen der Eberswalder Straßenbahn stark
an und sie erreichte letztlich ihre Kapazitätsgrenze. Hinzu kam, daß die
Endpunkte der Straßenbahn nicht mehr mit den äußersten Stellen des
Hauptverkehrsaufkommens übereinstimmten. Ein Ausbau der Straßenbahn oder Ersatz
derselben wurde benötigt.
Folgende Faktoren sprachen gegen einen Ausbau der Straßenbahn:
- Der Fahrplantakt konnte aufgrund der eingleisigen Strecke nicht weiter erhöht
werden.
- Da an den Endpunkten nur Kuppelendstellen, also keine Wendeschleifen vorhanden waren,
gestaltete sich der Einsatz von Beiwagen schwierig.
- Der Bau von weiteren Ausweichstellen war wegen der eingeschränkten Breite der
Straßen nicht möglich.
- Parkende Fahrzeuge auf den Hauptgeschäftsstraßen, die ja auch von der
Straßenbahn befahren wurden, ergaben eine erhebliche Beeinträchtigung des
Verkehrsablaufes. Der Umstand, daß hier dauernd zahlreiche Fahrzeuge parkten,
entsprach einem wirtschaftlichen Bedürfnis und hätte sich niemals wesentlich
einschränken lassen.
- Die Straßenbahngleise, die überwiegend in Straßenmitte aber auch
teilweise in engen Straßenteilen einseitig verlegt waren, erwiesen sich immer mehr als
Hindernis und zeigten Verfallserscheinungen, die eine umfassende Erneuerung notwendig
machten.
- Die Straßenbahntriebwagen hätten ebenfalls in einigen Jahren ersetzt werden
müssen.
Aufgrund der Kenntnis dieser Tatsachen fiel die Entscheidung zugunsten eines schienenfreien
Verkehrsmittels, nämlich zugunsten des Obus.
Der Obus erhielt den Vorzug gegenüber dem Kraftomnibus aufgrund folgender Faktoren:
- Der Obus besitzt allgemein bekannte Vorzüge, wie geräuscharm, keine Abgase in
der Stadt, größere Freizügigkeit usw.
- Infolge der städtebaulichen Eigenart der Stadt Eberswalde (Band-Stadt) lag die
Linienführung fest und man war der Auffassung, daß die Linienführung
zukünftig nicht an Bedeutung verlieren würde.
- Der Obus fährt mit heimischer Energie und der Strompreis war günstig.
- Die vorhandenen Umformeranlagen der Straßenbahn und auch die Wagenhalle konnten
für den Obus weiter benutzt werden.
Der Obus sollte der Ersatz werden und so erteilten am 24. Februar 1939 die Stadtwerke der
Firma Brown, Boveri und Cie. AG (BBC) Mannheim den Auftrag zur Errichtung
einer Obus-Anlage mit Einstangensystem in Eberswalde.
Die Fertigstellung der Einstangen-Fahrleitungsanlage durch die Firma BBC bereitete
große Probleme.
Eigentlicher Termin für die Inbetriebnahme war der 01. Januar 1940.
Doch diese Zielstellung fiel der nicht termingerechten Lieferung der bestellten Obusse vom deutschen Typ MPE I zum Opfer.
Im September 1940 wurden vorerst 2 Obusse der 8 bestellten Obusse geliefert. Diese beiden
Obusse wurden zur Umschulung des Fahrpersonals benutzt.
Am 31. Oktober 1940 wurde eine bis zum 01. Februar 1941 befristete Betriebsgenehmigung
für den Einsatz von 7 Obussen an die Stadtwerke erteilt.
Durch den Ausbruch des 2. Weltkrieges und der Ausrichtung der Industrie auf
Rüstungsproduktion verzögert, wurde am 03.11.1940 das Eberswalder Obus-Netz als
Ersatz für die am 02.11.1940 stillgelegte Straßenbahn in Betrieb genommen.
Der Obus-Verkehr wurde mit 5 Obussen vom deutschen Typ MPE I im 10-Minuten-Takt aufgenommen.
Der Fahrpreis betrug 15 Reichspfennige.
Das zweispurige Streckennetz hat einschließlich der Zufahrt zum Obus-Depot Bergerstraße eine Länge von 6,1 km. Die zweispurige Strecke verlief von Westend über Boldtstraße,
Kleinbahnhof, Hauptbahnhof, Markt, Friedhof, Saarstraße zur Stadtrandsiedlung Ostend.
An der Kreuzung Freienwalder Straße/Saarstraße befand sich ein zweispuriger
Abzweig zur Artillerie-Kaserne in Richtung Sommerfelde.
Der Abzweig zum Depot befand sich am Alsenplatz. Das Obus-Depot befand sich in der ehemaligen
Straßenbahnhalle in der Bergerstraße. Die Stromversorgung erfolgte durch die
Umformeranlage der ehemaligen Straßenbahn, ergänzt durch einen Gleichrichter.
Der Wagenpark wird im August 1941 um 3 Obusse erweitert und umfaßt im Januar 1944,
durch den Kauf und Lieferung von 2 weiteren Obussen des Typs MPE I, 10 Obusse.
Neun Anhänger der Waggonfabrik Lindner Ammendorf
ergänzten den Fuhrpark der Eberswalder Stadtwerke. Im Jahre 1942 wurden 7 Anhänger
und im Jahre 1943 weitere 2 Anhänger geliefert.
Um dem Beförderungsbedürfnis der Bürger der Stadt Eberswalde Rechnung zu
tragen, wurden weitere 4 Obusse bei der Fahrzeugbau Schumann GmbH/Werdau i.Sa.
bestellt.
Bereits 1943 machten sich erste Auswirkungen des 2. Weltkrieges auf den Obus-Verkehr
bemerkbar. Obwohl ein enormer Beförderungsbedarf bestand, machten sich Personal- und
Ersatzteilmangel bemerkbar. Obus Nr. 3I wurde durch einen Kabelbrand unbrauchbar.
Deshalb baten die Stadtwerke bei der Aufsichtsbehörde um Einstellung des
Sonntagsverkehrs und um Schließung von Haltestellen.
Aufgrund der Evakuierung der Berliner Siemens-Schuckert-Werke gegen Kriegsende wurden 2 der
zuletzt bestellten 4 Obusse nach Eberswalde geliefert. Diese beiden
Obusse von deutschen Typ KEO I (Kriegseinheitsbus Normgröße 1) waren in stark
vereinfachter Bauweise ausgeführt und teilweise unvollständig ausgestattet.
Sie waren eigentlich für Leoben/Österreich mit einer 750
V-Ausrüstung gebaut worden. Da man diese aber in Eberswalde nicht verwenden konnte,
wurden sie bis zu ihrem Einsatz außerhalb des Eberswalder Depots abgestellt.
Nachdem am 31. Januar 1945 erste Truppen der Roten Armee bei Kienitz die Oder überquert hatten, näherten sich in den folgenden Monaten die Kampfhandlungen Berlin und damit auch Eberswalde.
Am 16. April 1945 begann mit der Schlacht um die Seelower Höhen, die vier Tage dauerte, der Sturm auf Berlin. Am 25. April 1945 war Berlin eingeschlossen und die Schlacht um Berlin erreichte in den folgenden Tagen ihren Höhepunkt.
Infolge der faschistischen Wahnvorstellungen vom totalen Krieg und dem Endsieg wurde die Innenstadt der Stadt
Eberswalde, u.a. das Obus-Depot der Stadtwerke, in der Nacht vom 25. zum 26.04.1945, kurz vor Ende des 2. Weltkrieges, durch die deutsche (Sie haben richtig gelesen!!) Luftwaffe mit Brandbomben bombardiert und stark zerstört.
Einen strategischen Zweck erfüllte dieser Angriff und diverse Brandstiftungen an verschiedenen Gebäuden der Stadt, wie Aussichtsturm, Wasserfall (Ausflugsgaststätte), Stolzesche Mühle, in deren Speichern Getreide und Mehl zur Versorgung der Stadt lagerte, und andere, nicht. Die Angriffsspitzen der Roten Armee zogen im Süden entlang der Bernauer Heerstraße an Eberswalde in Richtung Berlin vorbei. Erst nachfolgende Einheiten besetzten am 26. April 1945 Eberswalde und bereiteten der faschistischen Gewaltherrschaft ein Ende.
Die Fahrzeughalle und Werkstatt brannten zum größten Teil aus. Bei diesem Brand, der große Ausmaße hatte, sind 8 Obusse
gänzlich und 3 Anhänger teilweise mitverbrannt. Sie waren in der Fahrzeughalle
abgestellt. Ein Kraftomnibus wurde ebenfalls vernichtet. Zwei weitere Anhänger und ein
defekter KOM wurden in den Kriegswirren entwendet und blieben unauffindbar.
Vom Wagenpark verblieben nur noch wenige beschädigte Fahrzeuge, 2
Obusse, 4 Beiwagen und ein Omnibus. Der Obus Nr. 4I war als einziges
Fahrzeug noch fahrbereit und nach "geringfügigen" Reparaturen wieder
einsetzbar. Der Obus Nr. 1I hatte einen Bombentreffer erhalten und war nur nach
einer Instandsetzung noch nutzbar.
Die beiden Obusse von deutschen Typ KEO I (Kriegseinheitsbus Normgröße 1), die
außerhalb des Eberswalder Depots abgestellt worden waren, überstanden den
Bombenangriff unbeschadet. Sie konnten aber nach wie vor wegen fehlender Ausrüstung nicht
eingesetzt werden.
Da auch die gesamte Fahrleitung zerstört war, wurde der Obus-Verkehr eingestellt. Die
Fahrleitung lag teilweise in den Seitenstraßen der Stadt zerstreut, da sie von den
flüchtenden Militärkolonnen beiseite geräumt und dabei zerschnitten wurde. Nur
in Ostend und an der Artilleriekaserne gab es noch längere unbeschädigte
Fahrleitungsabschnitte.